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Ungeimpften-Mobbing zur Ablenkung vom Pflege-Versagen?

Tichys Ausblick

Wieler der ein „sehr schlimmes Weihnachtsfest“ prognostiziert

BERLIN · Eine Wutrede von RKI-Chef Lothar Wieler geht viral, in der er ein „sehr schlimmes Weihnachtsfest“ prognostiziert. Vor allem ein Satz des Pandemiekapitäns ist dabei interessant. Er sagt: „Es ist naiv zu glauben, dass bei hohen Inzidenzen diese Menschen [in den Pflegeheimen, Anm. d. Red.] geschützt werden können. Das geht nicht.“ und: „Ich bitte Sie, diese naiven Gedanken zu vergessen.“ Der Weg wären Kontaktbeschränkungen und die Impfung. Ein brisanter Satz angesichts anderthalb Jahren Pandemie, in denen die Altersheime der wesentliche Treiber für Corona-Todesfälle waren. Weit über 50 Prozent der Corona-Toten waren über 80 Jahre alt, je nach Bundesland starben über 80 Prozent in den Altersheimen. Bis zum Winter letzten Jahres versagte die Bundesregierung komplett beim Schutz dieser Heime, der Fehler droht sich nun zu wiederholen. Dieser Notstand in der Pflege ist Thema heute Abend bei der neuen Ausgabe der Talkshow Tichys Ausblick. Prof. Dr. Detlev Krüger ist zu Gast, er war über 25 Jahre lang Chefvirologe der Berliner Charité, sein Nachfolger ist Christian Drosten. Krüger sagt: „Das Personal ist ausgebrannt, die Pfleger arbeiten an der Leistungsgrenze und darüber hinaus.“ Er zeigt die Fehler der Politik auf und findet: „Ein winziger Teil des durch den Lockdown entstandenen wirtschaftlichen Schadens hätte gereicht, um das Pflegepersonal angemessen zu entlohnen.“ Durch Anreize und vor allem Anerkennung könne man das Kernproblem, den Personalmangel bekämpfen. Wissenschaftsjournalistin und Diplom-Biologin Cornelia Stolze bemängelt die mangelnde Lobby der Pfleger. Ärztevertreter verstünden es seit Jahren, auf die Pauke zu hauen und für ihre Interessen zu werben, Pflegekräfte würden dabei vergessen. Es sei „erschreckend, welche Grausamkeit wir zulassen und wie wenig wir uns für die Situation in der Altenpflege interessieren“. Durch mehr Pflegepersonal in den Krankenhäusern könne man zudem sehr wohl Menschenleben retten. Aus amerikanischen Studien wisse man: „Wenn 10 Prozent mehr Pflegepersonal zur Verfügung steht, sinkt die Sterblichkeit um 11 Prozent.“ Die Politik wolle von ihrem eigenen Fehlverhalten ablenken. Natürlich geht es auch um die Impfung. Stolze findet: „Wenn in einem Altersheim mit 25 Personen 20 mit Corona infiziert werden, kann man nicht mehr von Impfdurchbrüchen sprechen. Das ist Impfversagen.“ Krüger hält es für eine „Illusion zu glauben, dass die Übertragung sich durch die Impfung vollständig verhindern lässt“. Ulrich Vosgerau ist habilitierter Staatsrechtler und arbeitet als Rechtsanwalt in Berlin. Er zog gegen die Corona-Maßnahmen vor das Bundesverfassungsgericht, zuletzt gegen Merkels Bundeslockdown. Bei Tichys Ausblick fasst er die verquere Logik der Politik so zusammen: „Die Nicht-Geimpften scheinen daran Schuld zu sein, dass bei den Geimpften die Impfung nicht wirkt.“ Er findet: „Bisher hat die Dritte Gewalt bei der Corona-Politik weitgehend versagt.“ Die rabiaten Corona-Maßnahmen seien verfassungsrechtlich kaum mehr zu begründen. Pflegepersonal auch an den herkömmlichen Tarifsystemen vorbei besser zu entlohnen, sei rechtlich allemal unproblematischer als die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen des letzten Jahres. Welche Auswege gibt es aus dem Corona-Dilemma? Wie kann die Politik dem dramatischen Rückgang der Intensivbetten entgegenwirken? Darüber diskutiert Roland Tichy mit seinen Gästen heute Abend bei „Tichys Ausblick“.