„Kinder sind einfach meins“
Schon als Jugendliche habe sie Kinder betreut und dann in einem Praktikum in den Beruf geschnuppert. „Kinder sind einfach meins“, bringt sie es auf den Punkt: Egal wo sie sei,
sie finde immer sofort einen Draht zu den Kleinen, die sie in vielerlei Hinsicht faszinierend findet: „Wie Kinder lernen, wie schnell sie Gelerntes umsetzen, das ist so
erstaunlich und schön zu sehen“, sagt Wahl, die mehr als zwanzig Jahre nach ihrer Ausbildung zur Kinderpflegerin ihre Weiterbildung zur Erzieherin draufsetzte. Ein neuer
Ausbildungsgang an der Lauterbacher Vogelsbergschule ermöglichte dies in Teilzeit und Wahl griff – unterstützt von ihrem Arbeitgeber und der Familie – zu. Mit diesem Abschluss
errang die damals Vierzigjährige nicht nur die Fachhochschulreife, sondern auch noch einmal einen anderen Blick auf den Beruf und die Menschen, denen sie begegnet. „Diese
Weiterbildung hat mir unheimlich viel gebracht – für meine persönliche Entwicklung, aber auch im Umgang mit den Familien. Gerade im Alltag in der Kita und in Gesprächen hat
mir das Erlernte sehr geholfen und mir mehr Selbstbewusstsein gegeben“, so Wahl, deren Hauptaugenmerk stets ihren kleinen Schutzbefohlenen galt. „Kinder sind herzlich und
unverstellt“, sagt sie.
Viele Entwicklungen miterlebt
Viele Entwicklungen hat sie in den fast fünf Jahrzehnten ihres Arbeitslebens miterlebt: Die Kita ist gewachsen, es sind die kleinen Ein- bis Dreijährigen dazugekommen. Von
einst altersmäßig einheitlichen Gruppen wurden die Gruppen altersgemischt mit besonderen Angeboten für alle Vorschulkinder. „Die Konzepte haben sich natürlich verändert mit
den Jahren“, so Wahl. Dies sei auch Ausdruck einer sich wandelnden Gesellschaft: Da die Eltern, und hier insbesondere die Mütter, heute mehr und anders arbeiten als zu Beginn
von Wahls Berufsleben, mussten die Öffnungszeiten angepasst werden und ein Essensangebot errichtet werden. Auch die Einrichtung von Krabbelgruppen ist Ausdruck der neuen
Lebenswelt von Familien. „Früher gab es auf dem Land wirklich noch mehr Großfamilien – heute sehen wir viele Familienmodelle und natürlich auch eine erhebliche Zahl an
Alleinerziehenden.“ All dem müsse eine Kita gerecht werden. Doch nicht nur die gesellschaftlichen Umstände, auch die die Kinder haben sich geändert. „Sie sind heute viel
selbstbewusster als früher“, findet die Erzieherin. „Sie sorgen für sich, kommen mit Ideen und Anregungen und warten nicht darauf, dass man ihnen etwas vorsetzt.“ Das Konzept
der Kita Angersbach kommt dieser Entwicklung mit vielen freien Angeboten entgegen. Christa Wahl: „Wir können unsere Kinder dann stets mit gutem Gewissen auf ihren weiteren
Lebensweg entlassen.“ Gleichzeitig gebe es aber auch mehr verhaltensauffällige Kinder als früher, sodass viele Gespräche und interdisziplinäre Zusammenarbeiten nötig
seien.
Engagement der Eltern ist gewachsen
Für alle Kinder in der Kita finden in Angersbach jährliche Entwicklungsgespräche statt, sodass Eltern wissen, wie ihr Kind von den Pädagoginnen und Pädagogen gesehen wird.
„Das Engagement der Eltern ist in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls außerordentlich gewachsen“, findet Christa Wahl: „Viele Eltern sind sehr engagiert, wirken mit,
übernehmen Verantwortung im Kita-Alltag. Sie sind für uns Gesprächspartner auf Augenhöhe.“ Weitere große Veränderungen brachte natürlich auch die Digitalisierung mit: „Die
Kinder werden ja selbstverständlich groß damit, und es liegt an uns allen, den Nutzen der digitalen Welt zu erkennen und zu vermitteln.“ Eine weiter Veränderung, die die
Pädagogin sehr begrüßt, ist der Zustrom von Männern in den Erzieherberuf. Sie hat jetzt drei männliche Kollegen, was bei insgesamt 14 im Team zwar noch nicht allzu viel ist,
aber mehr als landläufig üblich. Ihr Rat an alle jungen Kolleginnen und Kollegen: „Man muss diesen Beruf leben – es ist kein Job nur zum Geldverdienen. Man gibt Wertschätzung
und bekommt Wertschätzung zurück.“ Gefragt, welche Eindrücke in den letzten fast fünfzig Jahren besonders nachhaltig waren, wird es schwierig für Christa Wahl. Sie hat –
obwohl es natürlich auch Frustrationen gab – jeden Tag in der Kita genossen. „Ganz großartig und gleichzeitig wehmütig ist es jedes Jahr, die Sechsjährigen an die Schule
abzugeben – da weine ich dann manchmal mit den Mamas“, sagt die bei den Kindern und Eltern gleichermaßen beliebte Erzieherin. Ihr 25-jähriges Dienstjubiläum ist ihr noch vor
Augen oder die Herausforderungen, die die Einrichtung einer Integrationsgruppe vor zehn Jahren mit sich brachte. Gerne erinnert sie sich daran, wie innerhalb der Kolleginnen
und Kollegen die Konzepte entwickelt und auf den Weg gebracht wurden, und überhaupt: „Es war eine tolle Zeit in diesem Team.“ Nun geht mit Christa Wahl eine kleine Ära in
Angersbach zu Ende – einen Geheimtipp lässt die erfahrene Pädagogin aber da: „Eine kleine Umarmung oder eine Berührung hilft fast in jeder Not.“